Das Zukunftsmagazin von TÜV SÜD

SOLARFELDER: JETZT WIRD RECYCELT

—— Ein US-amerikanisches Start-up hat eine effiziente Möglichkeit gefunden, Solarzellen aufzubereiten und wiederzuverwerten. Gibt das der Energiewende in den USA den nächsten Schub? 

TEXT JAN SCHULTE
FOTO ADRIAN P YOUNG/STOCKSY (SOLARPANEEL), KAROLINA SKALSKI (ILLUSTRATION)

Sie gelten als vergleichsweise günstig, sind klimafreundlich und lassen sich quasi überall installieren: Photovoltaikanlagen sind große Hoffnungsträger für eine nachhaltige Energieversorgung. Leider aber haben Solaranlagen eine große Schwäche und die liegt auf der Materialebene. Denn die einzelnen Paneele halten oft nur 30 Jahre, danach müssen Firmen und Privatnutzer sie austauschen. 

In Europa besteht mit der EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (Waste Electrical and Electronic Equipment Directive) bereits seit fast zehn Jahren eine feste Regelung für Solaranlagen. Auf dem Prinzip der Herstellerverantwortung ermöglicht sie eine Rückführung der Paneele in den Wertstoffkreis. Weitergehende Regelungen in Deutschland legen die Recyclingquote hierzulande auf mindestens 80 Prozent fest.  

In den USA hingegen klassifiziert ein landesweites Gesetz Solaranlagen am Ende ihrer Lebenszeit als gefährlichen Sondermüll – nur in einzelnen Bundesstaaten bestehen konkrete Regulierungsansätze zum Thema. Es droht eine gigantische Menge Abfall. Gemäß Schätzungen der US-Umweltbehörde EPA dürften in dem Land bereits bis 2030 bis zu einer Million Tonnen Solarpanelabfälle anfallen. Zum Vergleich: Das Gesamtaufkommen an festen Siedlungsabfällen in den USA lag 2018 bei 292,4 Millionen Tonnen. Bis zum Jahr 2050 werden die Vereinigten Staaten mit schätzungsweise 10 Millionen Tonnen die zweitgrößte Menge an Altmodulen weltweit haben. 

Bis 2050 werden die Vereinigten Staaten die zweitgrößte Menge an Altmodulen weltweit haben.

Das Problem wird dadurch verschärft, dass den Vereinigten Staaten langsam, aber sicher die notwendigen Rohstoffe für weitere Photovoltaikanlagen ausgehen. Schon jetzt müssen die USA daher viele fertige Solarprodukte aus China beziehen und ihre Energiewende so von einem Land abhängig machen, mit dem sie immer wieder politische Auseinandersetzungen haben. 

Erkannt hat die Angebotslücke unter anderem Suvi Sharma. Er tat sich mit dem Wissenschaftler Pablo Ribeiro Dias und dem Manager Jesse Simons zusammen – gemeinsam riefen sie im vergangenen Jahr ihr Start-up Solarcycle ins Leben. Es bietet als nur eines von sechs Unternehmen in den USA an, alte Solarzellen zu recyceln. Denn die Technik steht noch recht am Anfang. Zudem ist Recycling in den USA oftmals teurer, als die ausgedienten Zellen schlicht zu entsorgen.  

Sollte die Wiederverwertung aber in großem Stil gelingen, könnte das eines der lange übersehenen Probleme der Energiewende lösen. 

„Der End-of-Life-Fluss von Solarpaneelen mag heute noch relativ klein sein“, so Sharma in einem Interview mit Forbes. „Aber er wächst extrem schnell und wird in den nächsten 20 Jahren fast exponentiell weiterwachsen.“ 

In der Fabrik des Start-ups in Texas filtert das Team aktuell die Rohmaterialien aus gebrauchten Solarzellen heraus. Zu den Stoffen gehören unter anderem Glas, Aluminium, Silber, Kupfer und Silizium. All diese Materialien ließen sich wiederverwenden, so Sharma. Die verarbeiteten Zellen stammen aus Privathaushalten, aber auch von ersten Industriekunden. Eine Partnerschaft ist das Start-up zum Beispiel mit dem dänischen Energieversorger Ørsted für sein US-Geschäft eingegangen. Der Standort von Solarcycle selbst wird bald beinahe vollständig durch sogenannte Second-Life-Solarzellen mit Energie versorgt werden, also solchen, die von ihren Nutzern durch neuere Modelle ersetzt wurden, aber immer noch funktionieren. 

Das Start-up will den gesamten Prozess möglichst einfach und damit kosteneffizient halten. „Wir ziehen die Kabel heraus, entrahmen das Paneel und entfernen die Verteilerdose“, beschreibt Dias den ersten Schritt in einem Video. All das funktioniere automatisiert. Danach werde das Solarglas entfernt. „Wir befreien und extrahieren die in der Solarzelle enthaltenen Komponenten.” So ließen sich die wertvollen Materialien voneinander trennen. Bis zu 95 Prozent können laut Angaben des Unternehmens wiederverwendet werden. „Das funktioniert mit jedem Silizium-Solarmodul, egal wie alt oder wie beschädigt es ist“, erzählt der Mitgründer. 

Mit einer Finanzierung von 30 Millionen US-Dollar im Rücken will das Start-up nun seine Kapazitäten ausbauen. Bis zu einer Million Paneele will es dann jährlich recyceln. 

WEITERE ARTIKEL