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VISION: BLÜTENPAPIER

—— Papier verschlingt fast die Hälfte der weltweiten Holzproduktion. Was, wenn das auch intelligenter und ökologischer ginge, dachte sich der Dürener Unternehmer Uwe D’Agnone. Seine Antwort wächst fast überall.

ILLUSTRATION MATTHIAS SEIFARTH

Vor neun Jahren fragte sich Uwe D’Agnone zum ersten Mal, wie man Papier umweltfreundlicher herstellen könnte. D’Agnone ist vom Fach. Er lernte Industriekaufmann in einer Druckerei. Später gründete er ein Unternehmen, das sich auf umweltfreundliche Werbeartikel wie Kalender spezialisierte. Auf der Suche nach dem umweltfreundlicheren Papier fand er schließlich eine Lösung, die auf jedem Acker und in jedem Garten wächst: Gras. Grasfasern seien für die ökologische Papierproduktion wie gemacht, erklärt er. Holz müsse für die Papierproduktion erst aufwendig vorbereitet werden, was jede Menge Wasser und Chemie verschlinge. Gras dagegen komme mit einem Bruchteil des Wassers und ohne weitere Zusätze aus. Der Grund: Holz besteht zu einem Großteil aus Lignin, einer Art pflanzlichem Klebstoff, das für die Papierproduktion entfernt werden muss. Grasfasern besitzen kaum Lignin. 

Für das Papier, das Uwe D’Agnone mit seiner Firma Crea-paper herstellt, wird das gemähte Gras zunächst getrocknet, zu Ballen gepresst und schließlich zur Produktionshalle von Creapaper in Düren gefahren. Dort wird das Gras gereinigt, geschnitten und gemahlen. Schließlich verdichten Pressen die vorbereitete Grasfaser zu Pellets, aus denen in einer Fabrik Papier entsteht. Das fertige Produkt besteht bis zu 50 Prozent aus Grasfasern, der restliche Anteil stammt aus Holzzellstoff oder recyceltem Papier. Vollständig auf Gras umsteigen will D’Agnone noch nicht. Durch passgenaue Mischungen soll so für unterschiedliche Einsatzbereiche wie Schreibpapier, Pappe, Einkaufstüten oder Taschentücher das jeweils beste Produkt entstehen. Mit seiner aktuellen Materialmischung kann D’Agnone schon heute die gesamte Produktpalette bedienen. „Wir können so gut wie alles mit einem Anteil an Grasfasern herstellen, vom Toilettenpapier bis zur dicksten Pappe“, sagt er. Verschiedene Einzelhandelsketten setzen bereits Obst- und Gemüseschalen aus Grasfaser ein.

Die Akzeptanz am Markt musste sich D’Agnone mühsam erarbeiten. „Ich habe mir am Anfang einige blutige Nasen geholt, als ich Papierfabriken gefragt habe, ob ich bei ihnen Papierprodukte aus Gras herstellen kann“, erinnert er sich. In einigen Jahren, so hofft D’Agnone, könnte Graspapier aus der Marktnische herausgewachsen sein und einen messbaren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. 

Die Zeichen dafür stehen gut. Aktuell arbeitet D’Agnone mit 23 Papierfabriken zusammen und beschäftigt 51 Mitarbeiter. In Düren kann er jährlich 25.000 Tonnen Graspellets herstellen – genug für mehr als 60.000 Tonnen Graspapier. Und sein Produkt passt in die Zeit. „Hätten wir zehn Jahre früher angefangen, wäre das nichts geworden, davon bin ich heute überzeugt“, sagt -D’Agnone. Neben einer höheren Aufmerksamkeit für Klimaschutz in der Gesellschaft sei auch die Papierbranche offener für umweltfreundliche Lösungen geworden. „Heute werden wir nicht mehr dafür belächelt, dass wir Papier aus Grasfasern herstellen.“

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