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SMALL MODULAR REACTORS (SMR): KERNKRAFTWERKE VOM FLIESSBAND

—— Kleiner, günstiger, sicherer. Das versprechen diverse Projekte die Mini-Kernkraftwerke in Serie bauen wollen. Steht eine Renaissance der Kernkraft im Kleinformat bevor?

TEXT TORSTEN SCHLEGEL
FOTO ADOBE STOCK/ROMAN'S PORTFOLIO

Seit den 1950er-Jahren haben verschiedene Firmen davon geträumt, Mini-Nuklearreaktoren in Fabriken zu produzieren. Die kleinen Kernkraftwerke, so die Idee, sollten sicher, einfach zu transportieren und in verschiedenen Bereichen einsetzbar sein. Vor dem Hintergrund der Energiewende wird dieses Konzept erneut attraktiv. Kleine modulare Reaktoren, kurz SMRs, sollen der Kernkraft weltweit neuen Aufwind geben. Laut der internationalen Atomenergiebehörde IAEA wird derzeit in 18 Ländern an insgesamt 80 SMR-Projekten gearbeitet. Die meisten davon befinden sich allerdings noch in der Konzeptionsphase.

Größe und Funktionsweise der einzelnen Konzepte unterscheiden sich teils stark. Die angestrebte Leistung liegt dabei zwischen 1,5 und 300 Megawatt elektrisch (MWe), klassische Kernreaktoren haben im Vergleich meist eine Leistung von mehr als 1.000 MWe. Je nach dem geplanten Anwendungszweck, sollen manche SMRs die Größe von Mehrfamilienhäusern haben und andere nicht größer als eine Litfaßsäule sein. Funktional setzen die meisten SMR-Projekte auf eine verkleinerte Version von wassergekühlten Reaktoren. Diese Reaktorart macht mit weitem Abstand auch den größten Teil der konventionellen Kernreaktoren aus. Der Hauptunterschied der SMRs liegt in diesen Fällen, neben der Größe, in der modularen Bauweise, die es ermöglichen soll, dass die Kleinkraftwerke in Einzelteilen transportiert und an ihrem Einsatzort montiert werden können. Es liegen allerdings auch neuartige Reaktorkonzepte vor, zu denen beispielsweise Hochtemperaturreaktoren, Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum oder Salzschmelzreaktoren gehören.

Konzept eines SMR nach dem Funktionsprinzip wassergekühlter Reaktoren.

Viele SMR-Projekte werben auch mit einem verringerten Risikofaktor im Vergleich zu klassischen Kernkraftwerken. Ein Gutachten des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) sieht diese Aussagen allerdings kritisch. Zur Unfallsicherheit wird dort angemerkt, dass sich die bestehenden Prüfverfahren für die Sicherheit von wassergekühlten Reaktoren nur bedingt auf SMRs übertragen lassen und für diesen Zweck angepasst werden müssten. Zudem sei für die neuartigen Reaktorkonzepte die letztendliche Risikobewertung zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer einzuschätzen. In Terrorismusszenarien stellt ein Angriff auf ein konventionelles Kernkraftwerk zwar eine größere Einzelbedrohung dar, der Einsatz von hunderten bis tausenden SMRs, wie ihn viele der Projekte vorsehen, würde die Anzahl der möglichen Angriffsziele allerdings vervielfachen und den Gesamtrisikofaktor nicht senken, so der BASE-Report.

Im US-Bundesstaat Idaho sollten die ersten amerikanischen SMRs entstehen. Das bisherige Vorzeigeprojekt, eine Kooperation von Staat und Wirtschaft, wurde mittlerweile aber aufgrund der sich abzeichnenden niedrigen Wirtschaftlichkeit wieder eingestellt. Um sich am offenen Markt behaupten zu können, muss die Technologie erst noch weiterentwickelt und gefördert werden – wirtschaftlich rentabel werden SMRs erst dann, wenn sie auch tatsächlich in großen Mengen produziert werden können. Bis dahin wird sich der Einsatz vorerst auf die Stromproduktion für schwach besiedelte Regionen, die Erzeugung von Prozesswärme sowie auf besondere Anwendungsgebiete begrenzen.

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