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FLEXIBLES LERNEN GEGEN DEN FACHKRÄFTEMANGEL

TEXT NILS WISCHMEYER
FOTO STOCKSY/AUDSHULE

—— Neue Chancen auf dem Bildungsmarkt: Mikronachweise in Form von Fort- und Weiterbildungen gelten als die Zukunft und versprechen kurzfristige Spezialisierung. Doch noch fehlen Standards.

Der Fachkräftemangel trifft Firmen auf der ganzen Welt – und drängt die Politik zu immer neuen Einfällen. In Polen rief die Regierung zuletzt die Rentner auf, länger zu arbeiten. In Frankreich wurde das Rentenalter ebenfalls angehoben und in Deutschland sucht die Politik unter anderem mit einem neuen Einwanderungsgesetz Menschen für zuletzt 600.000 unbesetzte Stellen.    

Statt zu verzagen, werden Unternehmen kreativ. Anstatt neues Personal zu suchen, wollen sie immer häufiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höher qualifizieren, die bereits bestimmte, aber nicht alle Skills für eine Tätigkeit mitbringen. Dieses Konzept wird Upskilling genannt und ist besonders in Bereichen wie Ökologie, Coding oder Künstliche Intelligenz zu beobachten. Weil ein komplettes Studium für Up- und Reskilling oft weder nötig noch zeitlich möglich ist, setzen die Betriebe auf sogenannte Microcredentials, zu deutsch: Mikronachweise. Diese erwerben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, indem sie Online-Kurse oder Fortbildungen zu bestimmten Teilbereichen absolvieren. Diese sind oft sehr kleinteilig und extrem fachspezifisch, funktionieren aber für hochkomplexe Berufe ebenso wie für Berufe wie Kassierer*in oder Logistiker*in. 

Die Europäische Kommission hält Microcredentials für „ein zentrales Element“ beim Aufbau eines europäischen Bildungsraums.

Auch die TÜV SÜD Akademie GmbH bietet rund um den Globus berufliche Weiterbildung und Personenzertifizierungen in verschiedenen Themengebieten an, zum Beispiel für Qualitäts- oder Projektmanagement. Der Fokus liegt dabei vor allem auf kompetenzbasiertem Lernen und Training „on-the-job“.

„Digitale Learning-Nuggets sind aus unserer Sicht essenzieller Teil jedes firmeninternen Trainingsportfolios“, sagt Karoline Morales, die bei der TÜV SÜD Akademie für digitales Lernen zuständig ist. „Microcredentials sind reizvoll, weil sie den Lernenden etwas in die Hand geben, um eine Kompetenzerweiterung schnell sichtbar zu machen.“ 

Die Europäische Kommission hält Microcredentials für „ein zentrales Element“ beim Aufbau eines europäischen Bildungsraums und hat bereits eine Empfehlung zugunsten der Nachweise abgegeben. Sie sieht in den Mikronachweisen die Chance auf „lebenslanges Lernen“ und glaubt, dass diese helfen, „flexibel und zielgerichtet“ die nötigen Fertigkeiten zu erwerben. In Europa, so betont die Kommission, gebe es bereits viele Angebote, denen aber bisher eines fehle: ein grenz- und branchenübergreifender Standard. Diesen zu entwickeln, wird in den kommenden Wochen und Monaten von zentraler Bedeutung sein. Der Vorteil eines einheitlichen Rahmens: Microcredentials wären in ganz Europa einheitlich. Langfristig könnte dieser dann sogar die Grundlage für internationale Vergleichbarkeit werden. 

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