Das Zukunftsmagazin von TÜV SÜD

WIE E-AUTOS ZUM ROLLENDEN KRAFTWERK WERDEN

TEXT STEFAN LEMLE

—— Den fossilen Energieverbrauch grundsätzlich zu senken, ist eines der globalen Klimaziele. Sinnvoller erster Schritt auf dem Weg dorthin: die bereits produzierte Energie optimal nutzen. Gerade bei photovoltaisch erzeugter Energie geht viel verloren, wenn sie nicht sofort genutzt wird und auch nicht gespeichert werden kann. Jetzt könnte sich mit einem guten Jahrzehnt Verspätung eine mögliche Lösung etablieren.

Bidirektionales Laden heißt das Verfahren, wenn die Batterie eines E-Autos nicht nur Strom aufnehmen, sondern auch in ein Netz einspeisen kann. So kann die Batterie des Fahrzeugs nicht benötigten Strom einer Photovoltaikanlage speichern und bei Bedarf, etwa bei schlechtem Wetter, wieder ins Hausnetz abgeben. Energieverbrauch und Kosten können so spürbar gesenkt werden.

Viele E-Autos stehen mehr in der Garage, als sie auf der Straße unterwegs sind. In dieser Zeit können sie als Heimspeicher verwendet werden. Vehicle-to-Home, kurz V2H, heißt dieses Konzept. Dazu muss die heimische Wallbox leicht modifiziert und ein spezieller Aufladestecker (CHAdeMO) verwendet werden, um den Gleichstrom im Akku in Wechselstrom fürs Netz umzuwandeln. In Japan ist dieses Verfahren seit Jahren erfolgreich etabliert, im Rest der Welt überraschenderweise noch immer Neuland. Jetzt haben die meisten großen Autohersteller allerdings signalisiert, ihre Fahrzeuge künftig auf allen Märkten für bidirektionales Laden auszurüsten.

DAS AUTO WIRD ZUM ENERGIESPEICHER Mit dem speziellen CHAdeMO-Ladestecker kann in Standzeiten Energie wieder ins Hausnetzt abgegeben werden.

Dann ist auch die nächste Stufe möglich: V2G – Vehicle-to-Grid. Hier ist die Idee, möglichst viele E-Fahrzeuge ins Energienetz einzubinden. Die in der Batterie des Autos gespeicherte Energie kann so ins allgemeine Stromnetz zurückgeführt werden, zum Beispiel um Stromspitzen entgegenzuwirken oder das Netz zu entlasten. Noch fehlen dazu die regulatorischen Voraussetzungen. Auch gibt es derzeit noch viel zu wenig Fahrzeuge, die bidirektional laden können. Zudem sind die Akkus von heutigen Modellen nicht für endlos viele Lade- und Entladevorgänge ausgelegt.

Natürlich kann dann trotzdem noch gefahren werden. Aber in Standzeiten – und das sind durchschnittlich 90 Prozent der Zeit – können die Elektroautos als Stromspeicher benutzt werden. Auf diese Weise könnte der Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz spürbar erhöht werden.

Klar ist aber auch: Die Idee setzt eine grundsätzlich stärkere Planung der Mobilität voraus. Um das zu erreichen, braucht es finanzielle Anreize für die Autobesitzer.. Denn wohl erst dann sind die meisten bereit, zu sagen: Ich brauche mein Auto erst wieder in ein paar Stunden, und da ich nur kurz zum Einkaufen will, reichen mir 15% Akkuleistung. Damit die Technologie V2G funktioniert ist also ein kompletter Prozess erforderlich.

ILLUSTRATION

Getty Images/Lytvynova Alina (Gesamtansicht); Getty Images/petovarga (Auto, Laden); 

WEITERE ARTIKEL