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DIE SACHE MIT BIOPLASTIK

—— Kunststoffe lassen sich auch aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen. Doch mittlerweile konkurriert die Kunststoffbranche mit der Lebensmittelindustrie um wertvolle Nutzflächen. Kann Bioplastik einen ganzen Industriezweig nachhaltiger machen? 

TEXT LARS-THORBEN NIGGEHOFF
FOTO SEBASTIAN MAST

Der Kampf gegen globalen CO2-Emissionen wird zuweilen medienwirksam und leidenschaftlich geführt: mit Klebstoff auf Straßen, in besetzten Dörfern am Rande eines Tagesbaus, auf politischer Ebene mit Prämien für Elektrofahrzeuge oder Zuschüssen für Solaranlagen. 

Unter dem Radar fliegt oft noch das Problemfeld der Kunststoffproduktion. Das erscheint nachvollziehbar, ist sie doch aktuell nur für 4,5 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Doch während in anderen Bereichen an Reduktion gearbeitet wird, dürfte sich die Kunststoffproduktion bis 2050 mindestens verdoppeln, eventuell sogar vervierfachen. Mit den Emissionen würde dann das Gleiche passieren. 

Findige Wissenschaftler und Unternehmer suchen deshalb nach einer Lösung. Bio-basierte Kunststoffe sind hier vielversprechend. Im Gegensatz zum klassischen Plastik werden diese nicht mithilfe mineralölbasierter Rohstoffe hergestellt, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen, etwa Stärke und Cellulose, die wiederum aus Mais, Zuckerrüben oder Holz kommen. Sie versprechen so reduzierte Emissionen. 

„Auf Bioplastik als Ersatz für herkömmliches Plastik zu setzen, ist für sich genommen keine Lösung.“

Paul Stegmann, TNO

So einfach ist es nicht, weiß Paul Stegmann. Er arbeitet für die unabhängige Forschungsorganisation TNO in Den Haag und beschäftigt sich dort mit Biokunststoffen. „Einfach auf Bioplastik als Ersatz für herkömmliches Plastik zu setzen, ist für sich genommen keine Lösung.” Grundsätzlich müsse man für die Transformation Plastik einsparen und mehr recyclen. Was dann noch an Bedarf bleibt, könne man mit Biokunststoffen gut ersetzen. Stegmann zufolge müsste eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt werden, damit bio-basierte Kunststoffe wirklich einen positiven Beitrag leisten können. 

Das beginnt schon bei der Produktion. Denn der Mais, die Zuckerrüben oder auch das Holz müssen schließlich irgendwo angebaut werden, wenn sie einmal zu Kunststoff werden sollen. Weil nutzbare Flächen rar sind, konkurriert ihre Produktion mit der Lebensmittelproduktion. „Im Idealfall sucht man natürlich Flächen, die bisher nicht genutzt werden“, so Stegmann. Oder man nutzt die Gelegenheit für eine Neuordnung der landwirtschaftlichen Fläche. „Heute werden rund 80 Prozent dieser Fläche für Milch- und Fleischproduktion genutzt“, erklärt der Wissenschaftler. Dabei befriedigten diese Produkte nur etwa 20 Prozent des menschlichen Proteinbedarfs. „Hier könnte eine Neuordnung für eine effizientere Flächennutzung sorgen.“ Was allerdings ein hochkomplexes Großprojekt wäre. 

Für einen fairen Markt braucht es ein internationales Zertifizierungssystem. Das soll ausschließen, dass Biokunststoffe mithilfe von Raubbau oder großflächiger Abholzung entstehen und dann gegen wirklich faire Produkte antreten. Und schließlich muss noch das Thema Recycling geklärt werden. „Der positive Effekt wäre weg, wenn wir die bio-basierten Kunststoffe einfach wegwerfen und nicht im System halten“, erklärt Stegmann. 

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