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WARUM WERDEN DIE WINDKRAFTANLAGEN IMMER GRÖSSER?

TEXT PAULINE BARNHUSEN
FOTO SANDER WEETELING, JOE BUGLEWICZ/THE NEW YORK TIMES/REDUX/LAIF, BRIAN VAN DER BRUG/LOS ANGELES TIMES/POLARIS/LAIF

—— In der brandenburgischen Lausitz entsteht die größte Windenergieanlage der Welt. Das Windrad im Ort Schipkau soll bis zur Rotorblattspitze 365 Meter hoch werden. Damit wird die Anlage fast so groß wie der Berliner Fernsehturm.

In der brandenburgischen Lausitz entsteht die größte Windenergieanlage der Welt. Das Windrad im Ort Schipkau soll bis zur Rotorblattspitze 365 Meter hoch werden. Damit wird die Anlage fast so groß wie der Berliner Fernsehturm.


„Die Höhe erlaubt einen größeren Rotorblattdurchmesser“, erklärt Stephan Mayer. Er leitet bei TÜV SÜD die Prüfung und Zertifizierung von Tragstrukturen von Windenergieanlagen. Der Vorteil davon sei, dass damit die Fläche, die der Rotor abdeckt, wächst, was zu einer entsprechend höheren verfügbaren Energieausbeute führe. Außerdem sei der Wind in einer Höhe von über 300 Metern stärker und konstanter als bei den herkömmlichen Anlagen, die meistens nur eine Höhe von 200 Metern messen. Gerade in Deutschland sei es nicht leicht, einen Ort zu finden, wo gute und konstante Windverhältnisse im ganzen Jahr vorliegen und andere Bedingungen wie beispielsweise Natur- oder Emissionsschutzmaßnahmen eingehalten werden könnenneue Höhenwindräder die Leistung potenziell verzehnfachen, wenn sie bestehende teilweise veraltete Windenergieanlagen ersetzen. 

„Unternehmen bekommen die Chance, Prototypen in ihre Anlagen zu integrieren, um die Praxistauglichkeit zu beweisen.“

NEUE BAUWEISEN, NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Oft wird Stahlrohr für die Türme der Windenergieanlagen verwendet, die in 30 Meter langen Segmenten hergestellt und dann vor Ort zusammengeschraubt werden. Bei einer größeren Höhe ist dieses Material nicht mehr stabil genug. Auch können die längeren einzelnen Segmente teilweise schwierig oder gar nicht auf Straßen und Brücken transportiert werden.

Alternative Konzepte haben viel Potenzial für die neuen Höhen. So gibt es Hybridtürme aus Stahl und Beton. Auch die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit ist in der Windenergiebranche spürbar. So werden bereits Prototypen aus Holz getestet. Doch die Herausforderung bei Holz sei die Konstruktion, so Mayer. „Die Verbindung von Einzelteilen ist eine Schwachstelle“, erklärt er. Das könne langfristig mehr Wartungsarbeiten nötig machen.
 

INNOVATIONEN FÜR DIE ZUKUNFT

Neue Materialien und Bauweisen bringen Schwierigkeiten bei der Prüfung und Zertifizierung, die Stephan Mayer und sein Team durchführen. Teilweise gebe es für die Konstruktion und Verbindungstechnik nur eine sehr geringe Datenbasis als Grundlage für die Bewertung, wie Mayer erklärt. „Ein Holzturm hat beispielsweise auch geklebte Verbindungen. Wie man diese unter den dynamischen Lasten einer Windenergieanlage auslegen kann, ist in keiner Norm geregelt.“ Umfangreiche Testserien wären hier unumgänglich.

Das Austesten neuer Materialien ist für die Hersteller der Windenergieanlagen eine neue Herausforderung. Jedoch besteht ein großes Potenzial, denn mit dem 2023 in Kraft getretenem „Wind-an-Land-Gesetz“ soll der Ausbau der Windkraft in Deutschland deutlich gesteigert werden. In Brandenburg, wo die größte Windenergieanlage der Welt entsteht, müssten bis 2030 1.000 neue Anlagen gebaut werden, um dieses Ziel zu erreichen. So wäre die Förderung von Projekten, die nachhaltige Innovation vorantreiben, ein wichtiger Beitrag, um die Windkraft für die Zukunft zu stärken. 

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