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Nahaufnahme einer Gruppe Keimlinge, die aus dem Wüsten-Sand sprießen.

WANDERWÜSTEN

TEXT LARS-THORBEN NIGGEHOFF
FOTO GETTY IMAGES/ZIMANADY_KLGD

—— Wüsten wie die Sahara weiten sich kontinuierlich aus. Schuld daran trägt der Mensch. Nun gibt es große Projekte, um ihr Ausdehnen zu stoppen. Aber es ist nicht einfach, der Wüste das Land wieder abzutrotzen.

Sanddünen, so weit das Auge reicht. Die Sonne brennt erbarmungslos, hier am Rande der Sahara. Es ist die größte Trockenwüste der Welt. Herzlich willkommen auf Sardinien.

Moment, da ist doch was falsch! Die Sahara und Sardinien liegen höchstens phonetisch nah beieinander, räumlich liegen mehr als sechs Breitengrade zwischen den Nordausläufern der Wüste in Afrika und der italienischen Insel. Doch die Sahara wächst: Spätestens 2100 könnte sie sich bis weit nach Europa erstrecken, Teile Spaniens, Italiens, Griechenlands und auch der Türkei wären dann Wüste..

Die Sahara weitet sich seit einiger Zeit kontinuierlich aus, da sind sich Forscher einig. Über das genaue Tempo und Ausmaß herrscht zwar Uneineigkeit. Einige Beispiele verdeutlichen aber, dass es hierbei nicht um ein paar Quadratzentimeter im Jahr geht. In Libyen frisst sich die Wüste mittlerweile in der Trockenzeit bis zu 500 Kilometer ins Land. In Mali, einem bitterarmen Staat, der sowieso schon zu 65 Prozent von Wüste und Halbwüste bedeckt ist, rückt die Sahara Jahr für Jahr dutzende Kilometer vor.

Die Folgen dieser Entwicklung können dramatisch sein. Land- und Forstwirtschaft werden unmöglich, die Artenvielfalt nimmt ab. Insgesamt zwölf Millionen Hektar fruchtbarer Boden gehen weltweit Jahr für Jahr verloren, und das vor allem in armen Ländern. Als Reaktion schieben Nichtregierungsorganisationen und Behörden in betroffenen Regionen Gegenmaßnahmen an, um der Wüste wieder Fläche abzutrotzen oder zumindest die Ausweitung zu stoppen. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, warnen Experten.

Es geht also darum, die Ursachen für die Störung des Ökosystems zu beseitigen.

Einer dieser Experten ist Thomas Wagner. Der Biologe der Technischen Universität München arbeitet dort am Lehrstuhl für Renaturierungsökologie. Wobei Wagner mit dem Begriff Renaturierung beim Kampf gegen sich ausbreitende Wüsten vorsichtig ist. „Auch die Wüste ist ja Natur, die dort entsteht, wo es wenig regnet“, sagt er. Und die Wüste breite sich manchmal auch völlig natürlich aus, etwa wenn es zu langen Trockenphasen kommt. Fachleute unterscheiden hier deswegen auch den natürlichen Prozess der Desertation und die durch den Menschen verursachte Desertifikation. „Nur bei Letzterem macht es überhaupt Sinn, gegen die Verwüstung zu kämpfen“, sagt Wagner.

Dieses Nebenher macht die Ursachenforschung im Einzelfall schwierig, aber drei Faktoren gelten als Ursachen für Desertifikation: Überweidung, Übernutzung durch die Landwirtschaft und Entwaldung.

Es geht also darum, die Ursachen für die Störung des Ökosystems zu beseitigen. „Abholzung oder Überweidung müssen stoppen“, sagt Wagner: „Das bedeutet natürlich, dass wir uns an komplexe, auch sozioökonomische Prozesse machen müssen.“ Wenn die örtlichen Bauern weiterhin ihr Vieh auf der betroffenen Fläche grasen lassen würden, seien sämtliche Versuche sinnlos.

Entsprechend scheitern auch viele Versuche, Desertifikation zu stoppen. „Sie müssen sich vor Ort in die lokalen Gepflogenheiten einarbeiten, die sind oft von Region zu Region selbst innerhalb eines Landes sehr unterschiedlich“, warnt Wagner. Dann gehe es darum, dafür zu sorgen, dass die Bewohner der Gegenden auch nach Abzug der Projektverantwortlichen selbstständig weitermachen könnten. Low-Tech sei dabei der beste Ansatz. „Brunnen zur Bewässerung zu bohren, ist zum Beispiel wichtig, aber man sollte am Ehesten auf einen Handbrunnen setzen“, sagt der Experte. Bei aufwändigeren Konstruktionen sei der langfristige Erfolg gefährdet, da Zweckentfremdung drohe.

„Abholzung oder Überweidung müssen stoppen.“

Thomas Wagner, Biologe an der Technischen Universität München

Große Hoffnungen setzen Experten in die Great Green Wall. Afrikas Grüne Mauer ist ein Projekt der Afrikanischen Union, sie soll die Desertifikation der Sahelzone stoppen. Mit Aufforstung und der Wiederherstellung von ausgetrockneten und beschädigten Böden soll von der Atlantikküste bis zum Horn von Afrika eine Art Schutzwall aus Grün- und Landwirtschaftsflächen entstehen. 21 Staaten sind beteiligt. Ursprünglich ging es bei der Grünen Mauer vor allem darum, Bäume zu pflanzen. Ein Blick auf prominente Vorbilder zeigte aber, dass dieser Ansatz wohl zu eindimensional sein würde.

China startete bereits 1978 den Bau seiner eigenen grünen Mauer, um die Wüste Gobi einzudämmen. Das Projekt ist immer noch im Gange, aktuell ist eine Fertigstellung bis 2050 geplant, dann wäre die Mauer 4500 Kilometer lang. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Kritikpunkten: Der massive Anbau von Bäumen hat etwa den Grundwasserspiegel in Nordchina belastet, außerdem setzen die Chinesen auf schnell wachsende Baumarten, was die Biodiversität vor Ort belastet.

Afrikas grüne Mauer soll deswegen einen ganzheitlicheren Ansatz verfolgen. Soziale, wirtschaftliche und Umweltaspekte beziehen die Verantwortlichen mit ein. Allein: Das Projekt kommt bisher nicht so richtig voran. Bis 2030 sollte die grüne Mauer stehen. Doch im Herbst 2020, nun 13 Jahre nach offiziellem Beginn und somit in etwa auf halber Strecke, waren erst vier Prozent der geplanten Fläche tatsächlich bepflanzt. Um das Ziel noch zu erreichen sind Investitionen von über vier Milliarden US-Dollar nötig – pro Jahr.

Thomas Wagner glaubt trotzdem, dass die Grüne Mauer eine Chance hat, das Problem der Desertifikation zu beheben. „Die Verantwortlichen denken großräumig und sie nehmen die Bevölkerung mit“, sagt er. Und er empfiehlt der westlichen Welt, sich bereits heute mit den Prozessen zur Wüstenbekämpfung zu befassen. Denn auch dort wird das Phänomen wohl bald ankommen. „In Spanien, rund um Almeria, und im Ogallala-Reservat in den Vereinigten Staaten sehen wir Gebiete, denen eine Desertifikation drohen könnte“, sagt er.

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