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Illustration Audio

VISION: DIE NEUERFINDUNG VON AUDIO

ILLUSTRATION JANELLE BARONE

—— Forscher und Firmen arbeiten mithilfe neuer Technologien an einem 3-D-Erlebnis für Fernseher, Kopfhörer – und sogar Autos. Das könnte unser Verhältnis zu Klängen für immer verändern.

Es gibt ihn in jedem Kino und vor jedem Fernseher: den Sweet Spot. So nennen Wissenschaftler den Platz im Raum, an dem der Klang am besten ist. Die Bässe sind schön tief und die Höhen und Mitten perfekt eingestellt. Doch dann passiert etwas, was das ganze Hörerlebnis ruiniert: Wir bewegen uns. Mit der Bewegung verschlechtert sich der Sound, bis wir glauben, dass die ganze Musik nur noch aus dem uns nächstgelegenen Lautsprecher kommt.

Genau dieses Problem erforschen Wissenschaftler seit mehreren Jahrzehnten und haben in ihren Laboren gleich mehrere Lösungswege für ein besseres Klangerlebnis gefunden. Das Problem: Unter realen Bedingungen war der Einsatz der modernen Technologie kaum möglich, zu aufwendig war der Aufbau. Doch in den vergangenen Jahren haben große Techfirmen und Forscher, unter anderem aus Deutschland, große Fortschritte gemacht und können heute Konzerterlebnisse ins heimische Wohnzimmer projizieren, die immer grandios klingen – ganz egal, wo man sitzt. Das ermöglicht neue Anwendungsbereiche beim Heimkino, bei Kopfhörern – oder beim Einparken eines Autos.

Gelöst hat das Problem die Wellenfeldsynthese, die besagt, dass man Schallquellen mitten im Raum simulieren kann, indem man die Schallwellen aus vielen verschiedenen Schallquellen wie etwa Lautsprechern übereinanderlegt. Wo die sich genau treffen und welchen Sound sie erzeugen, errechnet dabei ein kluger Algorithmus. Der Effekt: Eine Geige kommt von vorne rechts, egal an welcher Stelle ich im Raum stehe. „Hier haben wir also den Paradigmenwechsel: Wir erschaffen so objektbasierten Sound, bei dem es sich anfühlt, als wären wir mitten auf der Bühne“, sagt Christoph Sladeczek, Head of Virtual Acoustics am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT.

Dieser Paradigmenwechsel hat eine Revolution ausgelöst, wenn auch anfangs noch zögerlich. Denn für ein reales Wellenfeld braucht es Hunderte Lautsprecher, was außerhalb von Laboren nicht realisierbar ist. In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler es aber geschafft, ein virtuelles Wellenfeld zu erzeugen, in dem Algorithmen mithilfe bestehender Lautsprecher ein Erlebnis wie bei der Wellenfeldsynthese schaffen. In großen Sälen wie der Oper in Zürich können Zuschauer heute dem Konzert so lauschen, als säßen sie direkt auf der Bühne.

„Wir sehen hier gerade eine völlig neue Art, Musik und Audio zu erleben.“

Christoph Sladeczek, Head of Virtual Acoustics am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT.

Auch im Kleinen spüren die Menschen diese Veränderung. Dadurch dass immer mehr Musikstücke, Filme und Fernsehserien nun objektbezogen aufgenommen werden, lohnt es sich, auf den Zug aufzuspringen und den Hörern ein 3-D-Audio-Erlebnis zu versprechen. Apple beispielsweise macht sich die Aufnahmen für seinen „Spatial Sound“ zunutze. Ist dieser auf Kopfhörern eingeschaltet, bleiben Objekte immer an einer Stelle stehen. Dreht der Nutzer sich im Kreis, klingt es so, als stünde die Geige rechts vorn und bei der Drehung dann erst neben und schließlich hinter einem. Hier kommt allerdings nicht die Wellenfeldsynthese zum Einsatz, sondern die binaurale Synthese. Sie baut auf der Idee auf, dass unser Ohr bestimmte Schallfrequenzen einer Richtung zuordnen kann. Imitiert ein Kopfhörer diesen Schall, klingt es für uns so, als sei ein Objekt eben neben, vor oder hinter uns. „Wir sehen hier gerade eine völlig neue Art, Musik und Audio zu erleben“, sagt Sladeczek vom Fraunhofer-Institut.

Der Anwendungsbereich geht aber weit über Entertainment hinaus, glaubt Sladeczek. So wurden Autos in den vergangenen Jahren mit immer mehr Lautsprechern ausgestattet, um dem Kanal „Akustik“ in einem visuell völlig überladenen Fahrzeug eine wichtigere Rolle zuzugestehen. Künftig könnte das 3-D-Erlebnis beispielsweise beim Einparken helfen. Statt nur zu piepen, wenn sich das Auto rückwärts auf ein Hindernis zubewegt, könnte ein viel ausgefeilteres System dem Menschen zeigen, wie sich das Objekt zum Auto verhält, je nachdem, wie er das Lenkrad dreht oder auf die Bremse tritt. „Das würde einiges verändern“, sagt Sladeczek.

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