Das Zukunftsmagazin von TÜV SÜD

AUF EIN WORT

—— Frau Verbeek, was bedeutet für Sie …Erneuerung?

Illustriertes Portrait der Kunstrestauratorin umgeben von Pyramiden, Hyroglyphen und einer Hand, die sie freilegt – auf blauem Untergrund.

ILLUSTRATION SILKE WERZINGER

Als Kunstrestauratorin bewege ich mich stets in einem Spannungsfeld zwischen Konservieren und Restaurieren. Beides sind wesentliche Aspekte meiner Arbeit. Wie stark ich sie jeweils betone, hängt von dem Objekt ab, um das es geht. Auch das Material spielt eine Rolle. Deswegen spezialisieren wir Restauratoren uns bereits zu Beginn unseres Studiums, zum Beispiel auf Gemälde, Papier oder Textilien. Ich beschäftige mich vor allem mit Objekten aus Stein, Mosaiken und Wandmalereien. Anders als Gemälde sind diese meist nicht im Atelier zu bearbeiten, weswegen ich viel unterwegs bin.

So hat mich meine Arbeit schon nach Ägypten geführt. Gerade dort wäre eine Erneuerung ein großer Fehler. Wir restaurieren eine Grabkammer im sogenannten Tal der Noblen nahe Luxor. Da würden wir niemals zum Pinsel greifen, um die Wandmalereien zu ergänzen. Stattdessen geht es hier darum, den Ist-Zustand möglichst langfristig zu erhalten, wir schließen höchstens tiefe Fehlstellen und Löcher. Ansonsten würde das die Seele des Objekts stören, und die wollen wir als Restauratoren nach Möglichkeit so erlebbar wie nur möglich machen.

Bei anderen Kunstwerken nehmen wir auch einmal Neuerungen vor, immer nach Rücksprache mit Denkmalpflege und Eigentümer. Wandmalereien in Kirchen sind da ein gutes Beispiel. Diese haben oft einen liturgischen Sinn. Es geht darum, dass sie verstanden werden. Wenn ich dort nicht retuschiere, also im Bereich von Fehlstellen Farben nachzeichne, gebe ich das Bild der Belanglosigkeit preis. Wobei ich auch in einem solchen Fall vor allem mit feinsten Strichen arbeite, die man nur aus der Nähe erkennen kann, um den Eingriff immer nachvollziehbar zu machen. Der Restaurator stellt sich nie über den Künstler.

Der Balanceakt zwischen Erhalten und Erneuern ist nicht immer leicht, gerade weil auch Auftraggeber oft bestimmte Erwartungen haben, die ich nicht unbedingt erfüllen kann. Wir können keine Wunder bewirken. Ein Kollege von mir pflegt zu sagen: „Aus einer älteren Dame macht man keinen jungen Hüpfer mehr.“ Aber das ist nicht schlimm, eine gewisse Patina gehört eben auch zur Seele eines Kunstobjekts.

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