Das Zukunftsmagazin von TÜV SÜD

TIERISCH SCHLAU

—— Ziegen, die Puzzles lösen, lesende Tauben, Kraken, die sich aus Gläsern mit Schraubdeckeln befreien: Immer wieder überraschen uns Tiere mit ihrer Intelligenz. Wir stellen einige von ihnen sowie ihre erstaunlichen Fähigkeiten vor.

Illustration eines Kranken, der auf einem Schraubglas sitzt. Der Deckel liegt daneben.

TEXT THOMAS SCHMELZER
ILLUSTRATION ANJA STIEHLER-PATSCHAN

Illustration einer Taube die auf einem Stapel Briefe sitzt.

HAUSTAUBE

Tauben besitzen einen beachtlichen Orientierungssinn und werden als Brieftauben seit Jahrhunderten geschätzt. In einem Experiment bewiesen sie, dass sie Wörter nicht nur transportieren, sondern auch erkennen können. Auf einem Bildschirm grenzten sie echte Wörter der englischen Sprache wie „Bust“ von Fantasiekonstrukten wie etwa „Bewk“ treffsicher ab. Die Tauben hatten dafür die Wahrscheinlichkeiten von Buchstabenfolgen im Englischen erlernt – und waren damit einem Mechanismus gefolgt, den auch Grundschüler anwenden. Das Briefgeheimnis ist aber wohl trotzdem nicht in Gefahr – denn was die Wörter bedeuten, verstehen die Tauben höchstwahrscheinlich nicht.

Illustration eines Orcas der aus dem Wasser auftaucht. Über ihm Fliegt eine Möve. Daneben ein Orca, der zu einer Eisscholle schwimmt, auf der eine Robbe liegt.

ORCA

Schwertwale sind raffiniert, das demonstrierte bereits Orca Willy im Film „Free Willy“ aus dem Jahr 1993. Seine Artgenossen beweisen ihre Intelligenz jeden Tag bei der Jagd. Entdecken sie eine Robbe auf einer Eisscholle, agieren sie als Team. Ein Orca positioniert sich neben der Scholle, die anderen schwimmen ihr gemeinsam entgegen. Dabei erzeugen sie eine Bugwelle und spülen die Beute so vom wackligen Untergrund. Eine andere Technik beobachteten Pfleger in einem Zoo. Dort platzierte ein Schwertwal regelmäßig erbrochenen Fisch an der Wasseroberfläche, wartete auf gierige Möwen und schnappte dann zu. Seine Beckenkollegen beobachteten ihn dabei – und wendeten die Technik nur wenig später ebenfalls an.

Illustration eines Kranken, der auf einem Schraubglas sitzt. Der Deckel liegt daneben.

KRAKE

Kraken gehören zu den intelligentesten Wesen der Meere. Kein Wunder: Die Weichtiere besitzen bis zu neun Gehirne. Zum Zentral­gehirn kommen weitere Neuronencluster in den Fangarmen hinzu. Die Wissenschaft spricht von verteilter Intelligenz. Mit ihr können sich Kraken durch Labyrinthe manövrieren, aus Aquarien klettern oder aus Kokosnussschalen ein rollendes Wohnmobil konstruieren. Die Oktopusse können Flaschen entkorken und kommen auch mit Schraubverschlüssen zurecht. Ein Krake befreite sich aus einem Glas mit Schraubverschluss – indem er den Deckel kurzerhand von innen aufschraubte.

Illustration einer Krähe, die auf einem Heuhaufen sitzt und mit einem Stock eine Made aus dem Haufen holen will.

GERADSCHNABELKRÄHE

Rabenvögel gelten als besonders schlau. Sie platzieren Nüsse vor vorbeifahrende Autos und werfen Steine in Gefäße, um an die herausschwappende Flüssigkeit zu gelangen. Die in Neukaledonien beheimatete Geradschnabelkrähe geht noch einen Schritt weiter und fertigt eigene Werkzeuge an. Um an Maden in morschen Holzstämmen zu gelangen, hackt sie Zweige auf die geeignete Länge zurecht, steckt sie in die Verstecke der Maden und löst so deren Greifreflex aus. Anschließend angelt sie die Made aus dem Loch. In Experimenten steckten manche Krähen sogar bis zu vier verschiedene Stäbe zu einem längeren Verbundwerkzeug zusammen – und kamen so an ihr Futter.

Illustration eines Ziegenbocks vor einem grünen Gatter.

HAUSZIEGE

Immer wieder berichten Landwirte, dass Ziegen Tore öffnen, um zu einer saftigen Weide zu gelangen. Britische Forscher untersuchten diese Fähigkeit genauer. Um an reichhaltiges Futter zu kommen, mussten Ziegen an einem Apparat Hebel herausziehen und nach oben umlegen – wie bei einem Tor. Neun von zwölf Ziegen hatten die Technik nach gut zwölf Versuchen erlernt. Selbst zehn Monate später hatten sie den Trick immer noch drauf – und sicherten sich innerhalb von Sekunden ersehnte Leckerli.

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