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WAS WEISS DAS INTERNET ÜBER MICH?

—— Macht man sich online auf die Suche, scrollt sich durch soziale Netzwerke oder widmet sich dem Onlineshopping, gibt man hintergründig womöglich mehr preis, als man möchte – ohne es zu wissen. Was also sagt mein Nutzerverhalten über mich aus?

Katze, die vor einem Notebook sitzt und darüber hinweg in die Kamera blickt.

TEXT THOMAS SCHMELZER
FOTO STOCKSY/LUKE + MALLORY LEASURE

Zum Beispiel, wie emotional oder stressresistent ich bin, wie ehrgeizig und impulsiv oder wie gut organisiert und fleißig. Solche sehr persönlichen psychologischen Informationen lassen sich anhand von Posts und Kommentaren in sozialen Netzwerken ableiten. Das veranschaulichen Forscher des Zentrums für Psychometrie an der Universität Cambridge mit ihrer Seite „Apply Magic Sauce“. Hier können Nutzer Informationen aus ihren Profilen bei Facebook, Twitter und LinkedIn einspeisen, um zu sehen, was das Netz über sie weiß. Algorithmen bestimmen dann nicht nur sehr genau Charaktereigenschaften, sondern erstellen auch ein ganzes Persönlichkeitsprofil.

„Das Netz zeichnet so gut wie alles auf, was Nutzer tun.“

Roland Fiat, TÜV SÜD-Cybersicherheitsexperte

Roland Fiat, TÜV SÜD-Cybersicherheitsexperte, kennt die Mechanismen. „Das Netz zeichnet so gut wie alles auf, was Nutzer tun“, sagt er. Werbefirmen würden so das Alter, Geschlecht, die Interessen, Kontakte, Bewegungsprofile und sogar das Fitnesslevel ihrer Zielgruppen analysieren. „Auch die Apps auf unserem Smartphones zeichnen jede Aktion auf und verarbeiten alle Daten, die wir preisgeben für kommerzielle Zwecke“.

In einigen Ländern wird sogar das Ladeverhalten der Smartphone-Nutzer ausgewertet. Algorithmen von Kredit-Start-ups wie InVenture oder Branch wollen damit die Bonität von Kreditstellern ohne Zugang zum klassischen Bankgeschäft und Kredithistorie bestimmen. Dabei geht es um Mikrokredite in Schwellenländern, also kleine Beträge zwischen 30 und 50 US-Dollar. Wer den Akku seines Smartphones schneller entleert, mehr SMS verschickt, als er empfängt, und Kontakte im Adressbuch ohne Nachnamen speichert, gilt als weniger kreditwürdig. Zusammengefasst sollen solche Daten ein aussagekräftiges Profil über die Zahlungsfähigkeit einer Person liefern. Auch der Zimmervermittler Airbnb hat ein Patent auf ein ähnliches KI-System angemeldet, das Kunden vor der Buchung einem Onlinescreening unterzieht. Dabei soll eine Software etwa soziale Netzwerke durchforsten, um abzuschätzen, wie vertrauenswürdig ein Gast ist. So will Airbnb die Versicherungssumme für Schadensfälle niedrig halten.

Wer seine Wohnung dann auch noch von einem Roboter saugen lässt, liefere Werbetreibenden zusätzlich das Layout seines Zuhauses. Um die Privatsphäre zu schützen, empfiehlt Fiat sichere Browser wie zum Beispiel Firefox von Mozilla. Zudem alternative Chatdienste wie den Signal Messenger statt Whatsapp oder die Suchmaschine Qwant statt Google. „Nutzer sollten sich klar machen, dass sie keine Kunden, sondern das Produkt selbst sind“, so Fiat.

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