DER SCHLAFENDE RIESE
—— In vielen Branchen werden Wasserstofftechnologien bereits eingesetzt. Bis die Nischenanwendung massentauglich wird, ist der Weg allerdings noch weit.
Für die CO₂-neutrale Herstellung von Wasserstoff wird Strom aus erneuerbaren Quellen wie Solarenergie, Wind- oder Wasserkraft benötigt. In Deutschland stammten 2024 bereits 56 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien, wobei Windkraft mit 48 Prozent den größten Anteil lieferte. Dieser Ökostrom ist entscheidend, um die Elektrolyse effizient und klimaneutral zu gestalten. Allerdings erfordert der weitere Ausbau der Erneuerbaren auch massive Investitionen in Netzinfrastruktur und Speicher, um Schwankungen in der Erzeugung auszugleichen. Bei der Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien wird Wasserstoff eine wesentliche Rolle spielen.
Im Elektrolyseur wird grüner Strom durch Wasser geleitet, das dabei in die Gase Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff aufgespalten wird. Moderne Anlagen erreichen Wirkungsgrade von 60-85 Prozent. Drei Verfahren dominieren: Alkalische Elektrolyse (AEL) für langfristige Stabilität, Proton-Exchange-Membran (PEM) für flexible Lastwechsel und Solid-Oxid-Elektrolyse (SOEC) mit hohen Temperaturen für maximale Effizienz. Die Skalierung dieser Technologien ist entscheidend, um die Produktionskosten von derzeit um die 5 Euro pro Kilogramm bis 2030 auf unter 2 Euro zu drücken.
Wasserstoff lässt sich dauerhaft lagern, zum Beispiel in Druckbehältern, Flüssiggastanks oder in unterirdischen Salzkavernen. Für mobile Anwendungen setzt man auf Composite-Drucktanks. Langfristig könnten auch Metallhydrid-Speicher eine Alternative bieten, benötigen aber noch Forschung.
Durch Gasleitungen wird Wasserstoff dorthin geliefert, wo er benötigt wird. Laut Studien des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches sind 95 Prozent des deutschen Gasnetzes (550.000 km) für H₂ geeignet. Nur Ventile und Kompressoren müssten angepasst werden. Bis 2032 entsteht zudem ein über 9.000 Kilometer langes Wasserstoff-Kernnetz in Deutschland, das Produktionsstandorte wie die Nordsee-Windparks mit Industriezentren verbindet.
Länder mit reichlich vorhandenen erneuerbaren Energiequellen können grünen Wasserstoff herstellen und in andere Regionen exportieren. Australien plant, bis 2050 jährlich 35,9 Millionen Tonnen Wasserstoff als Ammoniak zu exportieren, während Afrika mit 40,7 Mio. Tonnen zum größten Exporteur aufsteigen könnte. Der Seetransport von flüssigem Ammoniak ist effizienter als der von flüssigem Wasserstoff. Deutschland importiert bereits Wasserstoff aus Norwegen und Marokko, um bis 2030 50-70 Prozent des Bedarfs zu decken.
Grüner Wasserstoff macht als sauberes Reduktionsmittel insbesondere die Produktionsprozesse in Stahlindustrie, Chemie und Energiewirtschaft nachhaltiger. In der Stahlherstellung ersetzt Wasserstoff Kohle in Direktreduktionsanlagen, was die CO₂-Emissionen um 95 Prozent senkt – das HYBRIT-Projekt in Schweden demonstriert dies seit 2021. In der Chemie dient Wasserstoff zur Herstellung von Ammoniak (für Düngemittel) und Methanol, während Gaskraftwerke durch die Beimischung von 30 Prozent Wasserstoff bereits heute den CO₂-Ausstoß reduzieren können.
Autos, Lkw und Züge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen fahren ohne lokale CO₂-Emissionen – eine gute Ergänzung zur Elektromobilität. Ende 2024 existierten weltweit bereits 1.160 Wasserstoff-Tankstellen. Ein 40-Tonner verbraucht um die 8 kg Wasserstoff auf 100 Kilometer, was bei grünem Wasserstoff einer CO₂-Einsparung von 80 kg/100 km gegenüber Diesel entspricht. In der Schifffahrt testen Firmen wie Maersk Ammoniak-Antriebe, die bis 2040 fast die Hälfte der globalen Flotte emissionsfrei machen könnten.
Mit grünem Wasserstoff lässt sich der CO₂-Ausstoß erheblich reduzieren, in der Stahlindustrie beispielsweise um bis zu 95 Prozent. Die Umstellung der deutschen Stahlwerke auf wasserstoffbasierte Direktreduktion bis 2045 könnte jährlich 50 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Im Verkehrssektor vermeidet ein Brennstoffzellen-Lkw pro Jahr 120 Tonnen CO₂ gegenüber Diesel.