Wasserstoff gilt als eines der großen Zukunftsversprechen in der Energiespeicherung. Doch das Einlösen dieses Versprechens hat erst in den vergangenen Jahren begonnen. Zu groß waren zuvor die Gefahren in der Herstellung, zu anspruchsvoll das Handling, als dass Wasserstoff ein wesentlicher Faktor in der Energieversorgung hätte werden können. Das hat sich nun geändert: Wasserstoff ist auf gutem Weg, ein globaler Energieträger zu werden.
Wasserstoff gilt als Schlüssel für die Energiewende, insbesondere durch grünen Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus regenerativ produziertem Strom hergestellt wird. Bis 2050 könnte der globale Bedarf von derzeit 76 auf bis zu 600 Megatonnen pro Jahr steigen. In Deutschland könnten bis dahin rund 20 Prozent des Energiebedarfs mit grünem Wasserstoff gedeckt werden. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts wären das 12 bis 19 Megatonnen.
Wo wird Wasserstoff eingesetzt?
Wasserstoff gilt als vielseitiger Energieträger mit großem Potenzial für die Dekarbonisierung zahlreicher Branchen.
INDUSTRIE
Die Industrie ist aktuell der größte Verbraucher von Wasserstoff, insbesondere in diesen Bereichen:
Stahl- und Metallverarbeitung: Grüner Wasserstoff soll Kohle in der Stahlproduktion ersetzen, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. Grüner Stahl spielt bereits heute eine zentrale Rolle in der Transformation der Stahlindustrie und wird als Schlüsselprojekt im Kampf gegen den Klimawandel angesehen.
Chemie und Pharmazie: Sie sind die derzeit größten Nutzer von Wasserstoff und verbrauchen weltweit etwa 45 Megatonnen jährlich (40 Prozent des globalen Bedarfs). Bis 2050 könnte der Wasserstoffbedarf der chemischen Industrie auf das 7-Fache steigen, insbesondere durch neue Anwendungen.
MOBILITÄT UND TRANSPORT
Wasserstoff kommt vor allem dort zum Einsatz, wo Batterien unpraktikabel sind, weil schwere Gefährte bewegt werden müssen oder lange Strecken zu überwinden sind.
Schwerlasttransport: Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle in der Dekarbonisierung, insbesondere für Langstrecken- und Fernverkehrsanwendungen, bei denen batterieelektrische Antriebe aufgrund von Gewicht, Ladezeiten und Reichweite an Grenzen stoßen. Unternehmen wie DHL und Daimler Truck testen bereits Prototypen.
Schiff- und Luftfahrt: In der Schifffahrt werden bereits konkrete Projekte wie hybride Antriebe und Methanol-basierte Lösungen vorangetrieben, in der Luftfahrt sind Triebwerksanpassungen und Kraftstoffalternativen auf Wasserstoffbasis in der Entwicklung.
ENERGIE
Wasserstoff spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Stromerzeugung, insbesondere als Speichermedium für erneuerbare Energien und als Brennstoff für Kraftwerke.
Energieerzeugung und -speicherung: Wasserstoff fungiert als chemischer Energiespeicher, der in Brennstoffzellen direkt in elektrische Energie umgewandelt wird – ohne Verbrennung. Brennstoffzellen erreichen Wirkungsgrade von über 60 Prozent.
Wärmeversorgung: Wasserstoff kann in Blockheizkraftwerken, Gaskraftwerken oder Brennstoffzellen eingesetzt werden, um gleichzeitig Strom und Wärme zu erzeugen. Die direkte Verbrennung von Wasserstoff ist etwa 2,75-mal effizienter als die von Benzin und erzeugt als Nebenprodukt nur Wasser.
Welche Herausforderungen stehen im Weg?
Produktionsprobleme: Der Großteil des heute genutzten Wasserstoffs stammt aus fossilen Brennstoffen („grauer" Wasserstoff), was die Klimabilanz verschlechtert. „Grüner" Wasserstoff, durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom erzeugt, ist teuer und benötigt enorme Mengen Süßwasser – besonders problematisch in wasserarmen Regionen. Einen vielversprechenden Übergang stellt „blauer“ Wasserstoff dar, der zwar aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, das entstehende CO2 aber mithilfe von Carbon Capture and Storage (CCS) abgespalten und gespeichert wird.
Infrastruktur und Transport: Bestehende Gasleitungen müssen für Wasserstoff umgerüstet werden, da dessen chemische Eigenschaften anders sind als die von Erdgas. Zudem sind Speicherung und Transport aufgrund der geringen Molekülgröße und hohen Flüchtigkeit technisch anspruchsvoll.
Ökologische Risiken: Leckagen bei Förderung oder Transport können Wasserstoff als indirektes Treibhausgas freisetzen. Begleitgase wie Methan oder Schwefelwasserstoff können lokale Ökosysteme gefährden.
Wie unterscheiden sich Strategien und Ziele weltweit?
Europa hat mit der EU-Wasserstoffstrategie (2020) und dem aufgrund der weggefallenen Gasimporte aus Russland aufgelegten REPowerEU einen klaren Fokus auf grünen Wasserstoff, Elektrolyseure und Infrastrukturausbau. Die regulatorische Führung in Europa ist da, aber die Umsetzung kommt mit einem engen, ambitionierten Zeitrahmen.
Die USA nutzen grundsätzlich den Inflation Reduction Act (IRA), das größtes Klimainvestitionsprogramm in der US-Geschichte mit zahlreichen Subventionen. Doch politische Unsicherheiten durch Präsident Trumps ambivalente Haltung und Elon Musks Kritik an Brennstoffzellen könnten die Strategie gefährden.
China setzt auf Skalierung mit bis zu 100 GW grünem Wasserstoff bis 2030 und plant die Massenproduktion von Wasserstoffautos. Auch neue Infrastruktur, zum Beispiel mit einer 400 km Pipeline in den entlegenen Norden des Landes, wird priorisiert.
Japan verabschiedete 2017 als erstes Land eine nationale Wasserstoffstrategie, die auf eine „Wasserstoff-Wertschätzungsgesellschaft" abzielt und Technologieführerschaft in Brennstoffzellen sowie Elektrolyseuren anstrebt.
Südkorea setzt mit dem weltweit ersten Wasserstoffwirtschaftsgesetz (2020) vor allem auf H2-Fahrzeuge – Ziel sind 5,15 Mio. Wasserstoffautos bis 2050.