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VISION: ABGEBLITZT

FOTO TRUMPF

—— Blitze verursachen jedes Jahr weltweit Schäden in Milliardenhöhe. Das Technologieunternehmen Trumpf will nun mit einer Laserkanone Abhilfe schaffen.

Alte Völker deuteten Blitz und Donner als Drohungen der Götter. Sie sahen in den hellen Himmelslichtern ein Zeichen für erzürnte Hammerwürfe Thors oder einen Wutausbruch des olympischen Gottes Zeus. Heute sind die Erklärungen etwas wissenschaftlicher: Regentropfen können sich in einer Gewitterwolke elektrisch aufladen. Die positiv geladenen Teilchen im oberen Teil der Wolke und die negativ geladenen im unteren Teil lassen eine elektrische Spannung entstehen. Es blitzt.

Solch ein Naturspektakel kann lebensgefährlich sein. Allein in Deutschland werden jährlich zwischen 30 und 50 Menschen vom Blitz getroffen, häufig beim Joggen oder Radfahren. Und auch der wirtschaftliche Schaden ist groß. Durch Blitzeinschläge in Flughäfen, Kraftwerken, Hochhäusern oder Wäldern entstehen jährlich weltweite Schäden in Milliardenhöhe. In den USA verursachen Blitze Schäden in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr, meist durch Störungen des Flugverkehrs und Schäden an Flugzeugen oder Hochspannungsleitungen. In Deutschland mussten die deutschen Hausrat- und Wohngebäudeversicherer 2019 für Blitz- und Überspannungsschäden rund 200 Millionen Euro zahlen.

Hoffnung gibt nun ein schwäbischer Anbieter von Werkzeugmaschinen. Um Schäden durch unkontrollierte Blitze zu verhindern, hat das Unternehmen Trumpf gemeinsam mit der Universität Genf das EU-Projekt „Laser Lightning Rod“, auf Deutsch: Laser-Blitzableiter, gestartet. Auf dem Gipfel des Säntis in der Schweiz versucht das Team, mit einer Laserkanone Blitze aus Gewitterwolken kontrolliert abzuleiten. Die EU hat für das Forschungsprojekt zwei Millionen Euro zugesagt.

„Wir schießen mit 1.000 Laserpulsen pro Sekunde in die Wolken.“

Clemens Herkommer, Ingenieur bei Trumpf Scientific Lasers

Clemens Herkommer, Ingenieur bei Trumpf Scientific Lasers in Unterföhring bei München, forscht seit vier Jahren an dem Projekt. Zumindest die Idee dahinter lässt sich einfach erklären: Der starke Laserstrahl wird während eines Gewitters in die Wolken gerichtet. Dies lädt die Luft um den Strahl elektrisch so stark auf, dass ein Plasmakanal entsteht. „Wir schießen mit 1.000 Laserpulsen pro Sekunde in die Wolken“, sagt Herkommer. Da der Kanal gut Elektrizität leiten kann, schlägt der Blitz im Inneren des Laserstrahls ein. Wie in einem Tunnel wird er zu Boden geleitet. Sehen kann man den Laserstrahl dabei nicht, weil die Strahlung im Infrarotbereich liegt. Dafür dröhnt er: Die hochenergetischen Laserblitze erhitzen schlagartig die Luft und erzeugen so kleine Druckwellen.

Die Umsetzung des ambitionierten Plans war allerdings alles andere als einfach: Allein der Transport des Lasers auf den 2.500 Meter hohen Gipfel dauerte zwei Wochen. Mit der Seilbahn und per Helikopter brachte ihn das Team Ende Mai 2021 in Einzelteilen auf den Säntis. Zumindest bisher ist der Trumpf-Laser einzigartig. Andere Projekte schafften es nicht, den Plasmakanal durch die Wolken lang genug werden zu lassen, und kamen gerade einmal auf zehn Laserblitze pro Sekunde. Der Gewitterblitz sucht sich in dem Fall seinen eigenen Weg und reagiert nicht auf den Laser. Über zu wenig Messdaten dürfte sich das Unternehmen in keinem Fall sorgen. Auf dem Säntis-Gipfel schlagen allein während der Gewitterhochphasen von Juni bis September Hunderte Blitze ein – genug, um sie eiskalt abblitzen zu lassen.

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