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WAS HABEN TULPEN MIT IMMOBILIEN ZU TUN?

TEXT THOMAS SCHMELZER
FOTO GETTYIMAGES/KARL HENDON

—— Aktuell sind es Kryptowährungen, früher spekulierte man mit Tulpen. Sybille Lehmann-Hasemeyer, Leiterin des Forschungsbereichs Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Hohenheim, erklärt, welche gravierenden Folgen Spekulationsblasen haben können.

Frau Professor Lehmann-Hasemeyer, was haben Tulpen, Immobilien und Kryptowährungen wie Bitcoin gemeinsam?
———— Sie zählen zu Spekulationsobjekten, die Blasen ausgelöst haben. Mit teils gravierenden Folgen wie der Weltwirtschaftskrise ab 2007.
Was sind Spekulationsblasen genau?
———— Solche Blasen können bei Gütern, Aktien, Immobilen, Währungen und fast allen anderen Dingen entstehen. Häufig hat sich der Preis eines Gutes dabei weit vom eigentlichen Wert des Produkts entfernt. Zwar entspricht der Materialwert auch in der Kunst oft nicht dem Wert eines Gemäldes, trotzdem spricht man da nicht von einer Blase. Spekulationsobjekte, die Blasen auslösen, stellen im Gegensatz zu Kunst häufig etwas Neues oder Geheimnisvolles dar, das große Gewinnmargen verspricht.
So wie früher Tulpen.
———— Ja. Sie kamen im 17. Jahrhundert nach Amsterdam und waren völlig anders als andere Blumen. Sie waren bunter und ihre Farben durch ein Virus nicht vorhersehbar. Auch Kryptowährungen haben etwas Geheimnisvolles und Unbekanntes, was sie interessant macht. Außerdem sind sie knapp. Auch Tulpen können nur sehr langsam gezüchtet werden, und Immobilien sind gerade in Ballungsräumen Mangelware. Wann immer eine große Nachfrage einem kleinen Angebot gegenübersteht, schießt der Preis nach oben.
Das ist klassische Marktwirtschaft. Wann wird daraus eine Blase?
———— Das ist schwer vorherzusehen. Selbst wenn man alle Warnsignale kennt und der Preis offensichtlich nicht mehr in Relation zum Gut passt, beginnt das sogenannte Riding the Bubble. Spekulanten steigen ein, um einen Teil des Kuchens zu bekommen und hoffen auszusteigen, bevor die Blase platzt. Ein riskantes Spiel. Die Südseeblase im 18. Jahrhundert in England hat auch schlaue Köpfe wie Edward Newton viel Geld gekostet. Damals war ein Börsenrausch um die South Sea Company entstanden, die die Schulden des britischen Staates durch die Ausgabe eigener Aktien zu immer höheren Kursen finanzieren wollte.
Sind Spekulationsblasen immer gefährlich?
———— Wie gefährlich sie sind, hängt davon ab, wie die Blase finanziert wurde. Über Schulden oder mit Eigenkapital.
Lernen wir nie dazu, oder weshalb verspekulieren wir uns seit Jahrhunderten?
———— Es ist nicht immer leicht, Blasen zu erkennen. Sie entstehen häufig in Zeiten, in denen viel Geld da ist und die Wirtschaft wächst – das befördert die Risikobereitschaft. Die Hoffnung, zu denen zu gehören, die viel Geld verdienen werden, ist ansteckend – und führt zu Herdenspekulation.
Wie können wir uns dann vor Blasen schützen?
———— Indem wir die Märkte überwachen und frühzeitig leicht gegensteuern. Etwa über Zinserhöhungen. Immobilienblasen könnte man mit staatlichem Wohnungsbau oder Preisbremsen eindämmen. Wichtig ist, Spekulationsobjekte nur in geringem Maß durch Schulden zu finanzieren.

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