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AUF EIN WORT

—— Herr Youlden, was denken Sie über … Motivation?

Illustration von Sprachwissenschaftler und Sprachlerncoach Matthew Youlden. Er sitzt neben einem Stapel Wörterbücher.

TEXT MATTHEW YOULDEN
ILLUSTRATION ANJE JAGER

Als ich neun Jahre alt war, haben meine Eltern im Spanienurlaub ein Video von meinem Bruder und mir gedreht. Wir liegen am Strand und mein Bruder und ich versuchen gerade, einige Brocken Spanisch mit anderen Kindern zu sprechen. Das Video wird außer uns nie jemand zu Gesicht bekommen, aber ich erzähle trotzdem gern davon. Denn es zeigt für mich, dass man für das Erlernen einer Sprache gar nicht so viel braucht, wie die Leute immer denken. Mein Bruder und ich wollten bloß ein wenig Spanisch lernen, um mit den anderen Kindern spielen und uns ein Eis kaufen zu können. Das war unsere Motivation. Besonders toll war unser Spanisch am Ende des Urlaubs natürlich nicht. Aber für unsere Zwecke hatte es gereicht. 

Seit diesem Urlaub damals lassen mich Sprachen nicht mehr los. Ich bin heute 37 Jahre alt und habe 25 Sprachen gelernt, von denen ich 10 fließend sprechen kann. Sprachen sind für mich nicht einfach nur ein Werkzeug, um mich verständigen zu können. Sie öffnen mir vielmehr die Tür zu ganz anderen Welten. Durch sie lernt man extrem viel darüber, wie andere Menschen die Welt sehen und über sie kommunizieren. 

Ich glaube, dass jeder so viele Sprachen lernen kann wie ich. Mit Begabung hat das nicht viel zu tun. Es geht eher darum, eine eigene Motivation zu entwickeln und das Lernen selber nicht als Pflicht, sondern als Spaß zu erleben. 

Wenn ich mich dazu entschließe, eine neue Sprache zu lernen, gehe ich das zum Beispiel fast immer zusammen mit meinem Zwillingsbruder -Michael an. Wir sind beide von Sprachen fasziniert und haben unsere eigene Methodik entwickelt, Sprachen schneller und effektiver zu lernen. Unsere Überzeugung ist, dass die neue Sprache sofort integraler Bestandteil des Alltags werden muss. Also machen wir gewissermaßen alles, was man in -dieser Sprache machen kann – ohne dass wir sie schon beherrschen. Manchmal pushen wir uns auch mal gegenseitig und machen ein -kleines Spielchen daraus, um gegenseitig die Motivation hoch zu halten. 

Natürlich haben die meisten Leute nicht unendlich viel Zeit, eine neue Sprache zu lernen. Aus meiner Erfahrung reicht es aber schon, täglich eine knappe halbe Stunde ins aktive Lernen zu investieren. Wenn man daneben noch passiv lernt, also Radio in der Sprache hört, Netflix-Serien im Originalton schaut oder Zeitung liest, reicht das schon aus.

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