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„ERNEUERN BEDEUTET MANCHMAL AUCH SCHEITERN“

—— Michael Marco Fitzthum, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Marco Wanda, ist Frontsänger der österreichischen Band Wanda und nicht nur in seiner Heimat ein Star. Im Interview verrät er sein ganz persönliches Erfolgsgeheimnis, wie der Ruhm ihn für immer verändert hat – und welche Rolle Veränderung gespielt hat.

TEXT KATRIN BRAHNER
FOTO ALFRED STEFFEN

Herr Fitzthum, Erneuerung gehört zum Showgeschäft manchmal dazu. Wann haben Sie das letzte Mal etwas grundlegend bei Wanda verändert?
———— Mit unserem letzten Album „Ciao!“ haben wir entgegen unserer Philosophie einmal versucht, unseren Sound ein Stück weit zu erneuern. Aus meiner Sicht hat das nicht funktioniert, ich finde, diese Platte ist unglaublich schiefgegangen. Trotzdem war es für uns wichtig, diesen Weg zu gehen, um zu uns zurückzufinden. Denn wir haben gemerkt, dass wir bei dem bleiben sollten, was wir gut können und was wir eigentlich machen wollen – nämlich Rock ’n’ Roll.
Was haben Sie aus der Erfahrung mitgenommen?
———— Erneuern bedeutet manchmal eben auch Scheitern. Ich bin aber großer Fan des Scheiterns. Wir können daraus lernen und daran wachsen, es gehört einfach dazu. Wer noch nie gescheitert ist, der hat nicht gelebt.
Den Schlüssel zum Erfolg hatten Sie zu diesem Zeitpunkt ja schon längst gefunden, waren Stars. Wieso haben Sie sich dann doch dafür entschieden, etwas Neues zu versuchen?
———— Das entstand aus einer komischen Wahnvorstellung heraus, das beste Album aller Zeiten aufnehmen zu wollen. Am Ende wurde es unser schlechtestes. Ich habe viel zu viel nachgedacht, um den Sound zu erneuern. Für das Album haben wir selbst den ganzen Aufnahmeprozess verändert, es war wahnsinnig.
Inwiefern?
———— Wir haben das komplette Album in einem riesigen Haus irgendwo in einem Waldviertel in Österreich aufgenommen. Es war ein ziemlicher Kampf. Wir dachten, dass der Wald in uns vielleicht irgendwas bewegen wird. Aber offensichtlich brauchen wir doch den Staub und den Straßenlärm unserer gewohnten Wiener Studios. Auch diese Neuerung hat also nicht funktioniert. Wir haben dadurch nur gelernt, wie wir es nicht mehr machen wollen. Erneuern ist für mich seither eher etwas, das in mein Privatleben gehört.
Sie haben zuerst Songtexte auf Englisch geschrieben, dann auf Deutsch. Dann kam der Durchbruch. Ist Ihr Erfolg dieser Erneuerung geschuldet?
———— Als ich angefangen habe, auf Deutsch zu schreiben, hat sich alles verändert. Ich habe meinen Platz gefunden zwischen all den Bands und Musikern, die es schon gab. Zusammen mit einer großen Portion Glück und sehr viel harter Arbeit hat diese Neuerung für mich tatsächlich zum Erfolg geführt. Die Entscheidung, auf Deutsch zu schreiben, war die beste meines Lebens.
Wie kam es zu diesem Entschluss?
———— Alle Lieder im Radio waren auf Englisch und auch in jeder Castingshow wurde nur auf Englisch gesungen. Ich dachte, es interessiert sich keiner mehr für deutsche Texte. In Gesprächen habe ich das Gegenteil festgestellt: Die Leute wollen, dass in ihrer Sprache gesungen wird. In der Sprache, in der sie denken, träumen und lieben. Da habe ich meine Chance gesehen.
Damit war die Sprache Ihrer Musik festgelegt. Wie ist daraus dann Wanda entstanden?
———— Ich habe die Band gemeinsam mit unserem Gitarristen Manuel Christoph Poppe bei einem Bier in der Kneipe gegründet. Zu Beginn haben wir sehr lange überlegt, für was wir stehen und was wir rüberbringen wollen. Das halte ich am Anfang einer Karriere für sehr wichtig. Denn wer erfolgreich sein will, braucht die richtige Grundlage, aus der heraus man wachsen kann. Zunächst einmal wollten wir ein eigenes Markenzeichen, wie Falco mit seinen zurückgegelten Haaren. Wir haben uns für unsere Lederjacken entschieden.
Sprache festgelegt, Markenzeichen festgelegt. War es beim Sound ähnlich?
———— Der Sound ist aus einer Mischung von Musik entstanden, die wir selbst gerne hören. Wir lieben Blues, Rock ’n’ Roll und Austropop. Bands wie die Beatles und Nirvana haben uns während unserer Findungsphase inspiriert. Ich bin kein hochbegabter Musiker. Ich schreibe Lieder mit vier bis acht Akkorden und das war’s. Aber auch genau diese Limitierung macht unseren Sound aus.

„Erneuern ist für mich eher etwas, das in mein Privatleben gehört.“

Sie sind also meistens lieber dem Alten treu geblieben als Neues zu suchen.
———— Anstatt uns ständig neu zu erfinden, wollen wir lieber das, was wir können, noch besser machen. Wir haben schließlich viel Zeit damit verbracht, uns als Band und unseren Sound zu finden. Wir haben uns mit viel Leidenschaft und harter Arbeit den Schlüssel geschmiedet, der uns die Tür zum Erfolg geöffnet hat. Und wenn diese Tür erst mal offen ist, wieso sollten wir dann nach einem neuen Schlüssel suchen? Wanda ist zwar durch eine Neuerung – meine Entscheidung, auf Deutsch zu schreiben – entstanden. Aber jetzt, wo wir erfolgreich sind mit etwas, das uns Freude bringt, bewegen wir uns gerne in der Nische, die wir für uns geschaffen haben.
Ödet Sie Ihre Musik nach so langer Zeit nicht auch manchmal an?
———— Überhaupt nicht. Unser Sound und unsere Lieder machen nach wie vor unglaublich viel Spaß. Ich habe einfach Glück, dass die Musik, die mir selbst gut gefällt, gleichzeitig dem Geschmack so vieler anderer Menschen entspricht. Hätte ich aber morgen plötzlich Lust, musikalisch etwas ganz Neues auszuprobieren, würde ich das machen.
Auch wenn die Fans dann vielleicht enttäuscht sein könnten?
———— Ich würde niemandem empfehlen, die eigene Musik auf den Geschmack des Publikums abzustimmen. Die Musik darf nicht zu wichtig werden. Dadurch verliert man sich als Künstler nur selbst aus den Augen.
Ihr Leben als Künstler hat sich durch den plötzlichen Erfolg aber sicher auch von Grund auf verändert. Eine gute Neuerung?
———— Vor allem die ersten drei Jahre waren der Wahnsinn. Jeder wollte Wanda. Wir waren fast pausenlos auf Tour. Es gab Zeiten, da hatten wir fast schon Angst, dass einer von uns nicht mehr aufwacht. Trotz dieser Anstrengungen ist dieses Tourleben zu einer Art Sucht geworden. Ein bunter Zirkus, in dem wir uns zu Hause gefühlt haben. Neben unseren Auftritten war der Touralltag sehr bequem. Du lässt ein Handtuch fallen und jemand hebt es auf, man macht kein Bett mehr, bügelt kein Hemd, und Essen steht auch immer bereit. Das Nachhausekommen war für jeden von uns immer eine persönliche Tragödie. Alles schien dann so blass. Aber damit lernt man, mit der Zeit umzugehen.
Hat Sie der Erfolg auch ganz persönlich verändert?
———— Ja, ich kann zum ersten Mal von mir behaupten, wirklich glücklich in meinem Leben zu sein. Die Band hat mir eine Position in der Gesellschaft und eine Aufgabe gegeben. Musiker wie Kurt Cobain oder John Lennon haben mir immer durch schwere Zeiten geholfen; die Vorstellung, dass meine Stimme das nun auch für andere Menschen tut, rührt mich. Hätte Wanda nicht funktioniert, ich weiß nicht, ob ich heute noch leben würde.
Das heißt, die Band hat Sie gerettet?
———— Wenn ich vor 12.000 Menschen stehe, kann ich mir keine Selbstzweifel erlauben. Durch die Auftritte habe ich meine Angst vor Menschen verloren. Ich sehe sie nicht mehr als Bedrohung wie vor meiner Karriere, sondern als Potenzial. Es macht mir mittlerweile großen Spaß, gemeinsam mit anderen etwas Neues zu gestalten.
Vor dem großen Durchbruch ist Wanda relativ erfolglos durch verruchte Kneipen getingelt. Zu der Zeit waren die Selbstzweifel sicher groß.
———— Diese Kneipen waren klein und ruppig, es gab viel Bier, viel Gestank, viele Schlägereien. Wir haben uns nie im Underground wohlgefühlt. Wir haben damals unsere Jobs gekündigt und alles auf eine Karte gesetzt. Ich glaube, nur deshalb hat es funktioniert.
Wie groß ist Ihre Angst davor, eines Tages vielleicht wieder genau da zu landen?
———— Ich lebe seit Jahren mit dem Gedanken, dass es morgen vorbei sein könnte. Aber das setzt mich nicht unter Druck. Wir wurden von Anfang an totgesagt und sind immer noch hier. Ich begegne vielen Menschen, die sehr schätzen, was wir tun. Deshalb glaube ich, dass Wanda niemals komplett untergehen wird. Und wenn die Leute doch einmal genug von uns haben, dann hören wir eben auf.
Und dann?
———— Dann erfinde ich mich wieder neu. Mache eine Kochlehre oder eröffne ein italienisches Restaurant. Mir wird schon was einfallen.

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